​Bei fifty1 beschäftigen wir uns damit Organisationen zukunftsfit zu machen und dabei stellt sich oft auf unterschiedlichen Ebenen die Frage, wie Unternehmen mutig und besonnen bleiben und mit Rückschlägen und Krisen, sich rasch ändernden Ausgangslagen in der Umwelt und neuen Anforderungen der Kund:innen bestmöglich umgehen können.

Bei einer spannenden Diskussion im Team stießen wir auf dieses spannende Rätsel: Agilität und Resilienz – zwei Seiten derselben Medaille oder doch zwei völlig verschiedene Konzepte? Taucht mit uns ein und findet heraus, ob Agilität immer Resilienz bedeutet!“

RESILIENZ – Herkunft und Bedeutung

Der Begriff

Resilienz ist ein Begriff aus dem lateinischen. Resilire bedeutet soviel wie zurückspringen oder abprallen. Ursprünglich war damit die physikalische Fähigkeit eines Körpers gemeint, nach Veränderung der Form wieder in seine Ursprungsform zurückzuspringen. Resilienz wird heute in zahlreichen Kontexten verwendet, u.a. in der Psychologie.

Herkunft und bedeutende Arbeiten

Jack Block, einem amerikanischen Psychologen wird die erste wissenschaftliche Auseinandersetzung 1977 zugeschrieben. Seine Arbeit beschäftigte sich mit Kindern im Kleinkindalter, bei denen er die Ego-Resilienz (Ich-Resilienz) analysierte und sie im Alter von sieben Jahren nachuntersuchte. Hoch-ego-resiliente Kinder wurden von ihren Lehrer:innen und Kindergärtner:innen als empathischer, fähiger mit Stress umzugehen, intelligenter und emotional situationsangepasster, als sich selbst akzeptierend, Neuigkeiten suchend, kompetent, kreativ und weniger ängstlich beschrieben. Diese Kinder waren auch weniger in Konflikte verwickelt, empfanden weniger Misstrauen und benötigten seltener Rückversicherung.

Eine andere große amerikanische Persönlichkeit, die Forscherin Emmy Werner, lieferte einen ganz grundlegenden Beitrag zur Resilienzforschung bzw. zur Begriffseinführung in die Psychologie. Sie untersuchte eine gesamte Geburtskohorte der Insel Kauai und verfolgte diese Gruppe jahrzehntelang. Dabei beschrieb sie eine Gruppe von Kindern, die es im Vergleich zu anderen Kindern trotz ähnlich belastender Faktoren geschafft hatten, ein zufriedenstellendes, erfolgreiches und gesundes Leben zu führen. Werners Studien lieferten neue Erkenntnisse über die Entwicklung im Sinne eines dynamischen Prozesses.

Weitere Studien aus dieser Zeit zeigen, dass Resilienz nicht nur eine Frage der genetischen Ausstattung ist, sondern zu verschiedenen Zeitpunkten durch diverse Faktoren wirksam wird. Insofern eine gute Nachricht – es gibt nicht einfach nur unterschiedlich resiliente Menschen, sondern auch zentrale Faktoren und Eigenschaften, auf die man positiv Einfluss nehmen kann.

1997 untersuchte Anton Antonovsky den geistigen und körperlichen Zustand von Frauen, die Konzentrationslager überlebt hatten. Er stellte fest, dass trotz der grausamen Erlebnisse etwa ein Drittel von ihnen weiterhin gesund blieb. Seine Erkenntnisse werden unter dem Begriff „Kohärenzgefühl von Antonovsky“ zusammengefasst und bestehen aus drei Hauptkomponenten:

  1. Verstehbarkeit (Comprehensibility): Die Überzeugung, dass die Ereignisse in der Welt erklärbar, strukturiert und vorhersagbar sind.
  2. Handhabbarkeit (Manageability): Das Vertrauen darauf, dass es genügend Ressourcen gibt, um den Anforderungen des Lebens zu begegnen.
  3. Sinnhaftigkeit (Meaningfulness): Der Glaube, dass das Leben Sinn hat und es wert ist, sich für Herausforderungen zu engagieren.

Durch diese Beobachtung drängte sich die Frage nach den Eigenschaften und Ressourcen dieser Menschen auf. Antonovsky entwickelte in der Folge sein Konzept der Salutogenese, der Theorie der Entstehung von Gesundheit im Gegensatz zur bis dahin und auch nach wie vor deutlich weiter verbreiteten Pathogenese, also der Entstehung von Erkrankungen.

Definition

Resilienz ist das Immunsystem unserer Psyche. Sie ist keine ausschließlich angeborene Eigenschaft oder Fähigkeit, aber auch nicht ausschließlich das Resultat negativer oder positiver (Umwelt-) Einflüsse. Sie entwickelt sich fortlaufend aus dem Zusammenwirken basaler humaner, adaptiver Systeme mit der Umwelt, um den Menschen zu befähigen, schwierige Situation zu bewältigen. Sind diese basalen (frühen, grundlegenden) Mechanismen geschützt und gepflegt, können Menschen sich robust entwickeln, selbst wenn negative Faktoren einwirken.

Resilienzmodell

Bei der Überlegung, wie wir Menschen unterstützen können, wirksam zu sein und Verantwortung in turbulenten Zeiten zu übernehmen, scheint uns zum Thema Resilienz die Einteilung in folgende 8 Faktoren hilfreich, um sich zentralen daran anknüpfenden Fragen widmen zu können:

Optimismus und positive Selbsteinschätzung:

Was gibt Anlass zu Optimismus? Was sind die Dinge, die gut funktioniert haben bzw. funktionieren? Auch wenn manchmal etwas schief geht – wann gibt es Ausnahmen und was kann man daraus lernen?

Akzeptanz & Realitätsbezug:

Wir können manche Dinge beeinfluss und andere nicht. Insofern schützt ein realistischer Blick vor Enttäuschung, Frust und Überforderung. Die Frage, ob ein Ziel realistisch ist, ist daher enorm wichtig und ebenso die Frage wie Ressourcen verteilt werden müssen, um die gesetzten Ziele zu erreichen und eine Vereinbarung zu offenem Feedback, wenn das nicht der Fall ist.

Lösungsorientierung und Kreativität:

In turbulenten Zeiten sind bisher bewährte Best Practises nicht mehr das richtige. Es braucht neue Zugänge und daher ist es wichtig Fehler machen zu dürfen und Learnings zu teilen. Neues Denken braucht außerdem Zeit, Bewegung, Interaktion und informelle Gespräche. Die Frage ist also, ob darauf ausreichend geachtet wird?

Selbstregulation und Selbstfürsorge:

Hier geht es darum achtsam und wertschätzend mit sich selbst umzugehen und die Selbstwahrnehmung zu schärfen. Unterbreche ich meine Arbeit gelegentlich für Pausen? Gehe ich an die frische Luft? Esse und trinke ich regelmäßig und schlafe ausreichend?

Selbstverantwortung und Entschlossenheit:

Wenn Resilienz den positiven Umgang mit herausfordernden Einflüssen bedeutet, dann muss der Anspruch sein, pro-aktiv mit diesen Herausforderungen umzugehen. Wichtige Fragen sind also „was brauche ich, um unabhängig entscheiden zu können“, „was muss ich zuerst tun“? Ebensowichtig ist die Abwägung von Vorteilen einer passiven Opferrolle im Vergleich zu den Vorteilen aktiv zu werden und zu handeln.

Beziehungen, Netzwerke und Vorbilder:

Externe Ressourcen sind elementar und werden oft übersehen oder aus Scham nicht ausgeschöpft. Dabei können die Antworten auf die Fragen „wen könnte ich um Hilfe bitten“, „wer hat vielleicht relevante Erfahrungswerte“, „welche Menschen tun mir gut“ ganz wichtige Aufschlüsse geben.

Zukunftsgestaltung und Visionsentwicklung:

Resiliente Menschen schauen in die Zukunft und versuchen aktiv Einfluss zu nehmen. Fragen wie „wofür wird sich die Mühen ausgezahlt haben“, „welchen Sinn hat die aktuelle Krise“ oder auch „welche Fähigkeiten gilt es nun für die Zukunft zu entwickeln“ können wichtige Erkenntnisse liefern.

Improvisationsvermögen und Lernbereitschaft:

In turbulenten Zeiten ist es wichtig auch mal mit wenigen Informationen oder unter schnellen Veränderungen Entscheidungen zu treffen. Die Fragen sind dann „was brauche ich, um entscheidungsfähig zu werden“ und „traue ich mich Fehler zu machen“ und es heißt achtsam zu sein, wenn immer dieselben Fehler passieren, da Lernen in der Organisation dann vermutlich zu wenig Aufmerksamkeit bekommt.

 

AGILITÄT – Herkunft und Bedeutung

Der Begriff

Agilität kommt ebenfalls aus dem lateinischen. Agilitas bedeutet Beweglichkeit. Darunter versteht man die Gewandtheit von Organisationen und Personen oder um es mit anderen Worten zu sagen: Agilität ist in Strukturen und Prozessen flexibel auf unvorhergesehene Ereignisse und neue Anforderungen zu reagieren.

Herkunft und bedeutende Arbeiten

Der Ursprung und die Entstehung des Begriffs Agilität werden in der Literatur auf unterschiedliche Ereignisse zurückgeführt.

Entwicklung des Kampfjets P80

Das erste bekannte Projekt mit einer agilen Vorgehensweise war die Entwicklung des Kampfjets P80. Der Konstrukteur Kelly Johnson des amerikanischen Rüstungsunternehmens Lockheed Martin erhielt 1943 den Auftrag einen neuen Kampfjet in nur 180 Tagen zu entwickeln. Eine Mission Impossible. Er ließ dafür alle notwendigen Ingenieure selbstorganisiert in einem Zelt zusammenarbeiten und brachte diese in Kontakt mit den späteren Nutzergruppen der Flugzeuge. Bürokratische Störungen wurden bei der Entwicklung rigoros aus dem Weg geräumt und Fokus geschaffen. Das Ergebnis war ein fertiger Jet nach 143 Tagen.

The Social Systems

Dieses Buch, das Talcott Parsons 1951 veröffentlichte, thematisiert wesentliche Elemente einer agilen Organisation, wie die fortlaufende Anpassung an die Umwelt und die Auseinandersetzung mit und Einbindung von verschiedenen Interessensgruppen. Parsons betonte, dass die Anpassungsfähigkeit einer Organisation überlebenswichtig war und entwickelte  „AGIL“ als Akronym:

  1. Adaptation (Anpassung): die Fähigkeit eines Systems, auf die sich verändernden äußeren Bedingungen zu reagieren und sich anzupassen.
  2. Goal Attainment (Zielverfolgung): die Fähigkeit eines Systems, Ziele zu definieren und zu verfolgen.
  3. Integration (Eingliederung): die Fähigkeit eines Systems, Kohäsion (Zusammenhalt) und Inklusion (Einschluss) herzustellen und abzusichern.
  4. Latency bzw. Latent Pattern Maintenance (Aufrechterhaltung): die Fähigkeit eines Systems, grundlegende Strukturen und Wertmuster aufrechtzuerhalten.

Incremental Iterative Development (IID)

In den 1950er Jahren sind die NASA und IBM die ersten großen Unternehmen, die iterative und inkrementelle Vorgehensweisen anwenden und insofern Praktiken anwenden, die wir heute als agile Arbeitsweisen bezeichnen. Zentrale Merkmale des IID – iterative Teamarbeit, anschließende Reviewphasen und die Bestimmung von Änderungsnotwendigkeiten – weisen eine große Ähnlichkeit zu Scrum auf und können als Vorläufer bezeichnet werden.

Organisationales Lernen

Ab den späten 1970er Jahren entstanden zahlreiche Werke zum Thema organisationales Lernen. 1990 veröffentlichte Peter M. Senge ein bis heute gültiges und oftmals zitiertes Werk und betonte darin die Wichtigkeit von Agilität zum Zwecke fortlaufenden Lernens und kontinuierlicher Optimierung.

Die Kernmerkmale der lernenden Organisation sind auch in agilen Organisationen zu finden.

Definition

Agilität ist eine Kompetenz von Menschen, Teams und Organisationen, zeitnah auf Änderungen zu reagieren (idealerweise schneller als der Wettbewerb), fortlaufend zu lernen, die Kund:innenperspektive stets zu berücksichtigen und damit kontinuierlich Wert zu stiften.

Sie ist eine Schlüsselkompetenz für die erfolgreiche Gestaltung der Zukunft von Unternehmen.

Ebenen der Agilität

Agiles Mindset:

Hier geht es darum die eigene Haltung zu reflektieren, also die grundlegenden Sichtweisen, die das eigene Handeln beeinflussen. Wie begegne ich anderen Menschen und mit welchen Überzeugungen blicke ich in die Zukunft?

Agile Werte:

Das Agile Manifest zeigt es vor – Agilität geht eng einher mit Werten und der Frage was erstrebenswert ist, Wert stiftet und daher auch Priorität genießt.

Agile Prinzipien:

Auch hier kann das Agile Manifest Aufschlüsse geben, da diese dort neben den 4 Werten im Mittelpunkt stehen und klare Handlungsanweisungen geben. Die Frage ist hier also welche Leitplanken das Handeln prägen und steuern.

Agile Praktiken:

Darunter werden Elemente verstanden, die die Werte und Prinzipien aufgreifen und manifestieren. Im Scrum sind das beispielsweise Review und Retro aber auch dailys können hier genannt werden.

Agile Methoden:

Agile Methoden sind konkrete Werkzeuge, die in der Arbeit helfen entlang der eigenen Haltung, den Werten und den festgelegten Prinzipien zu arbeiten. Das können empathische Interviews sein, Personas, Customer Journeys, Delegation Poker, manche liberating structures und viele mehr.

Agile Frameworks:

Hier geht es darum in welchen Prozessen die Arbeit organisiert ist und Scrum ist dabei eines der bekanntesten. Neben einem klaren Prozess definiert das Framework auch Rollen.

Agile Organisationsformen:

Die Frage hier ist wie ganze Unternehmensorganisationen agil werden können. SAFe oder LeSS können hier genannt werden, aber auch Soziokratie und Holakratie.

 

RESILIENZ & AGILITÄT IN DER MODERN ORGANIZATION – VERSUCH EINER ANTWORT

Sieht man sich die Begriffs- und „Denkherkunft“ der beiden Begriffe Agilität und Resilienz an, bemerkt man deutliche Unterschiede. Während das Thema Resilienz stark in der Psychologie aufgegriffen wurde und damit tendenziell dem „h=human“ in unserem Claim zuzuordnen ist, kommt der Agilitätsbegriff aus der Tech-Ecke und bedient das „t=technology“. Sohwohl Resilienz, wie auch Agilität sind für uns wesentliche Bestandteile einer modernen Organisation und stehen stellvertretend dafür, wie wir Organisationen denken und entwickeln. Mit dem besten und wirksamsten aus allen Welten.

Wir halten fest, dass beide Konzepte von den selben Leitideen getragen werden und insofern eng miteinander verwoben sind.

Resilienz fokussiert mehr auf Eigenschaften und Zustände, die den Umgang mit Einflüssen erleichtern oder bei Fehlen auch erschweren – diese können bearbeitet, trainiert und geübt werden, wenn auch teilweise nur eingeschränkt bis gar nicht auf innere Faktoren eingegangen werden kann. Beispiele dafür sind sehr prägende frühkindliche Krisen und deren Auswirkungen oder die genetische Disposition.

Agilität stellt gemäß Agilem Manifest ein Wertegerüst und Handlungsprinzipien dar, um Veränderungen im organisationalen Umfeld frühzeitig zu erkennen sowie schnell und präzise darauf zu reagieren. Es geht nicht von Eigenschaften und Zuständen aus, sondern stellt einen Zugang zum Umgang mit fortlaufender Veränderung in einem komplexen Umfeld dar. Die Idee hier ist jedenfalls eine pro-aktive, wenngleich insbesondere der Aspekt des Mindsets auch hier eine zentrale Rolle spielt.

Insgesamt kann man sagen, dass Agilität auf die organisationale Resilienz einzahlt, die aber mehr ist.

Gleichzeitig sind wir geneigt die aufgebrachte Frage mit Pragmatismus zu beantworten und würden uns nicht querlegen, wenn jemand die Begriffe in der Praxis synonym verwendet. Beide sind essenziell am Weg in die Zukunft und jedenfalls Elemente einer modernen Organisation. Wirksam sein bedeutet für uns Bewusstsein zu schaffen und die Unternehmensentwicklung in die Zukunft gut zu schaffen. Theoretische Konzepte trennscharf abgrenzen zu können hat dann seine absolute Berechtigung, wenn es dabei hilft. Da wo es nur Verwirrung stiftet, scheint es uns aber wichtiger die zugrunde liegenden Ideen anzuerkennen und fortlaufend zu reflektieren.

 

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