In unserem neuesten Blog-Interview sprechen wir mit Mina Saidze über die Zukunft der Technologie und Zusammenarbeit.
In diesem aufschlussreichen Blog-Interview haben wir die Möglichkeit, in die Gedanken von Mina Saidze einzutauchen, einer herausragenden Persönlichkeit in der Welt der Technologie. Als Forbes 30 Under 30-Listmaker, Autorin und KI-Expertin teilt Mina ihre Leidenschaft für Tech-Themen, wie Big Data und Künstliche Intelligenz, sowie ihre Sicht auf die digitale Transformation und die Bedeutung des Faktors Mensch.
fifty1: Mina, es ist großartig, dass du dir Zeit für uns genommen hast. Dein Fachgebiet ist zweifellos die Welt der Technologie, einschließlich Big Data und Künstlicher Intelligenz. Was fasziniert dich an diesen Themen und was treibt dich an?
Mina: Mein Engagement für Tech-Themen ist tief verwurzelt. Es geht auf meine Eltern zurück, politische Aktivisten aus Afghanistan, die sich stets für Geschlechtergerechtigkeit und Demokratieförderung eingesetzt haben. Diese Werte sind auch mein persönlicher Antrieb. Als ich in der Tech-Branche startete, fühlte ich mich immer wie eine „Ausreißerin im Datensatz“. Ausreißer:innen sind in Datensätzen zwar normal, aber entscheidend ist die Frage, wie wir mit ihnen umgehen. Lassen wir sie im Datensatz, um das Phänomen zu verstehen, oder entfernen wir sie, um alles anzugleichen? Ich persönlich glaube, dass wir diese Ausreißer:innen verstehen müssen, da sie neue Perspektiven bieten, besonders im Kontext von Technologie, den wir auch aus sozialer und gesellschaftlicher Sicht betrachten sollten. Denn Technologie ist kein Selbstzweck, sondern sollte den Menschen dienen.
Bei jeder digitalen Transformation in einer Organisation müssen die kulturelle und die menschliche Komponente berücksichtigt werden.
fifty1: Du betonst die Bedeutung des menschlichen Faktors in der Technologie. Viele Menschen betrachten Technologie als etwas Fremdes und Bedrohliches. Wie schaffst du die Brücke zwischen Technologie und Mensch?
Mina: Die Angst vor dem Fremden und Unbekannten ist ein natürlicher menschlicher Reflex, der aus unserer Evolution stammt. Ich habe dies sogar bei meinen Eltern beobachten können, die sich in einer neuen Kultur und Umgebung befanden und anfangs vieles als befremdlich empfanden. Aber mit der Zeit haben sie gelernt, dass die Angst vor dem Fremden der Neugierde für das Neue weichen muss. Genau diese Einstellung brauchen wir, um technologische Innovation voranzutreiben. Meine Eltern waren sozusagen Vorreiter:innen, da sie bereits agil waren, bevor dieser Begriff zum Buzzword wurde. Agilität bedeutet, neugierig und offen für Neues zu sein und es wirklich zu verstehen, um daraus neue Dienstleistungen und Produkte zu entwickeln. Deswegen bedeutet Digitale Transformation, dass wir Menschen mit unterschiedlichen Backgrounds zusammenbringen, sei es aus den Sozialwissenschaften, aus der Wirtschaft oder auch aus anderen Disziplinen, um daraus etwas wirklich Neuartiges und Schöpferisches zu gestalten.
fifty1: Du sprichst von einer digitalen Kluft und der Bedeutung von Vielfalt in Organisationen. Was rätst du Unternehmen, um die digitale Transformation erfolgreich zu bewältigen?
Mina: Organisationen müssen erkennen, dass technologische Veränderungen nicht nur technologischer Natur sind, sondern auch die Menschen betreffen. Bei jeder digitalen Transformation in einer Organisation müssen die kulturelle und menschliche Komponente berücksichtigt werden. Das bedeutet, dass die Gefühle der Mitarbeiter:innen angesprochen werden müssen. Es ist wichtig, eine offene Diskussionskultur zu schaffen und Skepsis ernst zu nehmen. Fort- und Weiterbildungsprogramme sollten angeboten werden, um die Mitarbeiter:innen auf die Veränderungen vorzubereiten. Kommunikation ist entscheidend, sowohl intern als auch extern, damit sich alle abgeholt fühlen. Das bedeutet im Zeitalter von Künstlicher Intelligenz für uns, dass Empathie, mitmenschliche Erfahrung und fürsorgliche Kommunikation viel höhere Relevanz gewinnen. Das können uns Maschinen nicht wegnehmen. Wir als Menschen müssen unsere Stärken einbringen.
Damals betraf es die sogenannte Blue-Collar-Productivity, und heute betrifft es die sogenannte White-Collar-Productivity…
fifty1: Du erwähnst, dass Technologie eine Ergänzung und Unterstützung sein kann, statt eine Bedrohung. Wie siehst du die Zukunft von Unternehmen in 5 bis 10 Jahren in Bezug auf Technologie und Nachhaltigkeit?
Mina: Um die Zukunft der Technologie und der digitalen Transformation zu verstehen, ist es wichtig, in die Vergangenheit zu schauen. Während der industriellen Revolution gab es ähnliche Ängste vor Jobverlusten. Heute betrifft die Automatisierung nicht nur Fabrikarbeiter:innen, sondern auch Menschen in vielen anderen Berufen. Die Geschichte wiederholt sich. Damals betraf es die sogenannte Blue-Collar-Productivity, und heute betrifft es die sogenannte White-Collar-Productivity, also die Automatisierung intellektueller Fließbandarbeit, weil es auf einmal nicht nur Fabrikarbeitende betrifft, sondern zum Beispiel auch Leute im Bereich Grafik-Design oder Content-Marketing. Es ist wichtig zu verstehen, dass wir uns mitten in einer digitalen Revolution befinden. Technologie wird uns nicht ersetzen, sondern ergänzen und unsere Effizienz steigern. Wir müssen lernen, einen neuen Umgang mit Technologie zu entwickeln.
fifty1: Zusammenarbeit in einer von Technologie geprägten Welt kann eine Herausforderung sein. Welche Auswirkungen siehst du auf die Zusammenarbeit in Organisationen?
Mina: Derzeit beobachte ich eine digitale Kluft zwischen „Digital Natives“, die mit Technologie aufgewachsen sind, und älteren Mitarbeiter:innen, die sich erst daran gewöhnen müssen. Es ist wichtig, diese Vielfalt zu schätzen und Formate zu schaffen, in denen verschiedene Generationen und soziale Schichten voneinander lernen können. Unternehmen müssen auch ältere Mitarbeiter:innen in die digitale Transformation einbeziehen, damit sie sich nicht abgehängt fühlen. Ich fordere Fort- und Weiterbildungsprogramme mit starkem Fokus auf Data- und AI-Literacy. Der Bedarf nach Aufklärung und der Schaffung einer gemeinsamen Sprache ist hoch. Das bedeutet nicht, dass alle programmieren lernen, aber ein Grundverständnis für datengetriebene Technologie ist entscheidend, damit wir Innovation vorantreiben können.
fifty1: Du wirst als Top-Speakerin beim Transformation-Camp im April 2024 in Wien auftreten. Was erhoffst du dir von dieser Veranstaltung?
Mina: Ich sehe das Transformation-Camp als eine Plattform, um Innovation in Österreich voranzutreiben. Hier kommen Entscheidungsträger:innen zusammen, um die wichtigsten Fragen der Wirtschaft zu diskutieren. Ich möchte meine Herzensangelegenheit dort platzieren, wo ich die richtigen Menschen erreiche und weiß, dass sie relevante Entscheidungen für unsere Zukunft treffen.
Wir bedanken uns herzlich bei Mina für dieses inspirierende Gespräch und freuen uns auf das TransformationCamp 2024 im April in Wien.
Zur Person:
Mina Saidze wurde 1993 in Hamburg als Tochter von politischen Aktivist:innen aus Afghanistan geboren. Sie lebt heute in Berlin.
Nach ihrem Abitur absolvierte sie ein Freiwilligenjahr bei einer Lobbyorganisation für Erneuerbare Energien in Tansania und begann danach ein Studium der Sozialwissenschaften, wechselte durch ihr großes Interesse an Statistik aber bald zu Volkswirtschaft.
Als Stipendiatin der Heinrich-Böll-Stiftung und Medien-Trainee absolvierte sie Stationen bei der Deutschen Welle, Radio Bremen und taz.die tageszeitung.
Saidze wollte immer in der Lage sein, Probleme zu erkennen und Phänomene zu verstehen. Deshalb brachte sie sich das Programmieren selbst bei und spezialisierte sich in Big Data Analytics.
Mit viel Disziplin und Leidenschaft gelang ihr der Quereinstieg in die Tech-Branche, wo sie als Data Analyst für führende Medien- und Techunternehmen tätig war.
In dieser Zeit wurde ihr bewusst, dass sie als Frau und Person of Color in dieser Branche eine Ausnahme war. Es folgte ein einschneidendes Erlebnis, durch das sie auf das Problem der Datenverzerrungen und gesellschaftlichen Auswirkungen von KI aufmerksam wurde, was Saidzes Interesse an KI-Ethik und Diversity in Tech weckte.
Angetrieben von der Idee ihr Leben sinnvoller zu gestalten und anderen zu helfen, gründete sie Inclusive Tech, Europas erste Lobby-und Beratungsorganisation für Diversity in Tech.
Saidze ist mittlerweise an der Hamburg Media School als Dozentin für Data Analytics tätig und ihre Artikel zu Tech und Diversity wurden in Business Punk und t3n veröffentlicht. Das Wirtschaftsmagazin Forbes nahm sie in die berühmte „Forbes 30 Under 30“-Liste in der Kategorie Tech für die DACH-Region auf. 2022 wurde sie mit dem Digital Female Leader Award von Global Digital Woman ausgezeichnet. Darüber hinaus ist sie als LinkedIn Top Voice in den Kategorien „Tech & Innovation“ sowie „Diversity“ ausgezeichnet worden.
Im Herbst 2023 erscheint ihr Buch „FairTech: Digitalisierung neu denken für eine gerechte Gesellschaft“ bei Bastei Lübbe.
Saidzes Mission: Tech, Big Data & KI demokratisieren- für alle!
Das Gespräch mit Mina Saidze führte Mirjam von Hofacker
Zusätzlich gibt es mehrmals die Woche hilfreiche Tipps und Tricks zum Thema Modern Leadership, Digitale Transformation, Organisationsentwicklung und New Work auf unserem LinkedIn Kanal zu lesen.