In kreativen, modernen Räumen, voller bunter Post-Its, mit Menschen aus unterschiedlichen Disziplinen zusammenzuarbeiten und dabei Ideen zu entwickeln – wem gefällt so ein Arbeitsumfeld nicht?

Agile Arbeitsweisen zu nutzen, zu experimentieren und bei Misserfolgen auf eine ausgeprägte Fehlertoleranz zu blicken? Hört man sich um was Menschen mit Innovation verbinden, fallen Begriffe wie multidisziplinäre Teams, Kollaboration, experimentieren, flache Hierarchien und Spaß.  Alles positiv geprägte Begriffe. Fragt man weiter ob dies ein Umfeld ist, in dem sie gerne arbeiten möchten, bekommt man selten ein „Nein“. Warum also, wenn hier offenkundig viel Positives drinsteckt, fällt es uns so schwer, es auch wirklich zu tun und eine nachhaltige Innovationskultur zu etablieren? Ist es möglich, dass hier nur eine Seite der Medaille betrachtet wird? Kann es sein, dass das Etablieren von Innovationen nicht nur den spaßvollen kreativen Teil enthält, sondern dahinter auch etwas sehr Ernstes steckt?

Unsere Kollegin Mirjam von Hofacker hat sich das näher angeschaut und ein paar Tipps im Gepäck.

Merkmale innovativer Unternehmen

Innovative Unternehmen besitzen einige zentrale Merkmale, die sie auszeichnen und Innovation ermöglichen. Dazu gehören mitunter:

  • Ausgeprägte Fehlertolerenz
  • die Bereitschaft zu experimentieren,
  • flache Hierarchien und
  • eine Arbeitsatmosphäre, die von psychologischer Sicherheit geprägt ist.

Weniger bekannt und mindestens genauso wichtig sind ihre Gegenpole, die in ihrem Ausdruck und Verhalten sehr viel weniger beliebt sind. Dazu gehören:

  • Keine Toleranz für Inkompetenz
  • Radikale Offenheit
  • Klare Verantwortlichkeiten
  • Diszplin und Konsequenz.

Null Toleranz für Inkompetenz, hohe Toleranz für lernen und Fortschritt

Erfolgreiche Innovation erfordert ein hohes Maß an Wissen und Kompetenz. Jegliche Akzeptanz oder Nachlässigkeit bei Fehlern oder Misserfolgen aufgrund von mittelmäßigen Arbeiten wird nicht akzeptiert.

Innovation bedeutet, sich auf unsicheres Terrain zu begeben, Neues zu entdecken und mutig zu erforschen. Daher ist eine ausgeprägte Fehlertoleranz in diesem Kontext unerlässlich. Was jedoch keine Toleranz erfahren darf, sind ungenaues Arbeiten (Leichtsinnigkeitsfehler = unproduktive Fehler), schlechte Gewohnheiten (z. B. schlecht geplantes Projektmanagement, ungenaues Zeitmanagement, fehlende Planung),  und mittelmäßiges Know-how.

Die Leistungsstandards sollten hoch sein, Qualität eingefordert werden, und für Anforderungen, die nicht erfüllt werden können, Konsequenzen gezogen werden. Sei es durch lernen und Weiterentwicklung der Fähigkeiten – oder aber im Worst Case – über eine personelle Veränderung und damit einem besseren Einsatz der Potentiale.

Wie wird diese Intoleranz gegenüber Inkompetenz gelebt? Wie häufig kommt es wirklich vor, dass Mitarbeitende aufgrund nicht ausreichender Kompetenzen in einen anderen Bereich wechseln und ihre Fähigkeiten anderweitig unter Beweis stellen? In Unternehmen mit harmonischer Arbeitskultur und familiären Beziehungen fällt dies besonders schwer – denn wer versetzt schon gerne ein Familienmitglied?

Scheitern ist also nicht immer das Ergebnis von Unsicherheiten, Neuem und Unbekanntem, sondern auch das Produkt fehlerhafter Analysen, mäßigen Managements und schlecht durchdachter Pläne. Fehler sollten dann gefeiert werden, wenn dadurch lernen ermöglicht wird und ein Mehrwert entsteht. Also feiern wir das Lernen und den Fortschritt – nicht den Fehler.

Tipp: Erkenne den Unterschied zwischen produktiven und unproduktiven Fehlern.

Produktive Fehler sind jene, aus denen wir lernen können, die uns wachsen lassen. Unproduktive Fehler hingegen wiederholen sich ohne Nutzen („Erfolg besteht nicht darin, keine Fehler zu machen, sondern darin, den gleichen Fehler kein zweites Mal zu machen.”). Daher ist es entscheidend zu identifizieren, welche Ursachen den Fehlern zugrunde liegen. Nur so können wir gezielt an den richtigen Stellen optimieren und uns kontinuierlich verbessern.

Experimentieren mit Disziplin und Konsequenz

Wenn wir von Experimenten sprechen, meinen wir nicht, Dinge einfach wahllos auszuprobieren oder sich unvorbereitet in neue Projekte zu stürzen, so wie ein:e Künstler:in Farbe auf eine Leinwand klatscht.

Vielmehr fordert uns das Experimentieren heraus, mit Ungewissheit und Ambiguität (Mehrdeutigkeit) umzugehen. Es geht darum, sorgfältig ausgewählte Experimente zu nutzen, von Anfang an klare Kriterien festzulegen, um mit Disziplin zu entscheiden, ob und wann eine Idee weiterverfolgt, verändert oder verworfen wird. Das bedeutet möglicherweise, vielversprechende Projekte zu beenden oder deutlich umzulenken. Die Haltung dabei ist, dass das Festhalten an gescheiterten Projekten die Möglichkeit verwehrt, an einem potenziell erfolgreichen Programm teilzunehmen.

In Unternehmen kennen wir diese schwierige Situation. Die vorzeitige konsequente Beendigung eines Projekts geht mit schlechten Nachrichten oder Reputationsverlust einher. Belohnt wird dahingegen das Aufrechterhalten und Weiterführen eines Projekts. Scheitern ist unangenehm, negativ behaftet und wird vermieden, obwohl einem dadurch die Chance auf ein anderes, möglicherweise erfolgreiches Projekt, entgeht.

Keine Frage – Experimentieren erfordert Disziplin und ist ein Balanceakt. Einerseits geht es darum, Mitarbeitende zu ermutigen, Fehler zu machen und out-of-the-box zu denken. Andererseits sind klare und sorgfältige Kriterien für den Experimentierprozess unerlässlich.

Tipp: Disziplin vorleben und als Vorbild agieren

Um erfolgreich zu experimentieren, ist es wichtig, als Führungskraft Disziplin und Konsequenz vorzuleben. Das bedeutet, Projekte zu beenden, wenn nötig und persönlich bereit zu sein, Meinungen zu ändern. Nur so schaffen wir eine Umgebung, in der Experimente nicht nur ermutigt, sondern auch effektiv gesteuert werden können.

Radikale Offenheit – Kritik als Zeichen von Respekt

Das Konzept für psychologische Sicherheit hält glücklicherweise immer mehr Einzug in Unternehmen. Bereits vor über 20 Jahren erkannte Amy Edmondson die Wichtigkeit eines Arbeitsklimas, in dem Menschen sich trauen direkt und offen zu sprechen, ohne negative Konsequenzen fürchten zu müssen. Ein solches Arbeitsklima spiegelt sich in der Leistung der Teams, ihrer Innovationsfähigkeit und ihrem Lernverhalten wider. Im Gegensatz dazu führt das Fehlen psychologischer Sicherheit dazu, dass Fragen nicht gestellt, Kritik nicht geäußert und Diskussionen mit unterschiedlichen Standpunkten vermieden werden, was wiederum Innovation behindert.

In Gesprächen mit Führungskräften zeigt sich oft der Eindruck, dass psychologische Sicherheit mit Harmonie, Höflichkeit und einem sanften Umgang einhergeht. Das Gegenteil ist der Fall: Wenn wir Kritik üben, unangenehme Fragen stellen und unsere Meinung unverblümt äußern wollen, müssen wir auch bereit sein, dasselbe zu empfangen. Radikale Offenheit ist entscheidend für Innovation, denn sie ist das Mittel, mit dem Ideen entwickelt und verbessert werden.

Tipp: Höflichkeit ist nicht gleich Respekt

Offene Kritik zu üben ist ein Zeichen von Respekt. Dinge ehrlich und offen anzusprechen mag kurzfristig schmerzhaft sein, aber es langfristig zu verschweigen, um niemanden zu verletzen, kann noch viel schmerzhafter sein.  Daher ein Moment der Selbstreflexion: Wie oft forderst Du kritisches Feedback an deinen Ideen von direkten Mitarbeitenden?

Die Balance zwischen Zusammenarbeit und klaren Verantwortlichkeiten.

Gute Innovationssysteme erfordern übergreifende Zusammenarbeit und eine Vielzahl unterschiedlicher Perspektiven. Ein kollektives Verantwortungsgefühl entsteht weil Teams zusammenarbeiten und sich gegenseitig unterstützen. Dadurch kann auch ein gesteigertes Bedürfnis nach Konsens entstehen. Und Konsens hindert uns bei rascher Entscheidungsfindung und bei der Bewältigung komplexer Herausforderungen. Am Ende des Tages muss klar sein wer Verantwortung übernimmt und Entscheidungen trifft.
Welches Feedback wird angenommen, welches nicht? Welche Vertriebsstrategie ist am sinnvollsten und welcher Marketingplan am besten? Wer entscheidet? Im kreativen Umfeld wird gerne in selbstorganisierten Teams gearbeitet. Damit geht auch die dezentrale Entscheidungsfindung einher, was ein rascheres Reagieren auf äußere Umstände möglich macht. Selbstorganisierte Teams bedeuten allerdings nicht, dass nicht geführt wird. Entscheidungskompetenzen und Verantwortlichkeiten sollten klar definiert und transparent beschrieben sein, damit Selbstorganisation nicht in Chaos endet.

Tipp: Zusammenarbeit neu denken

Das Arbeiten mit dem Kreis-Rollen Modell, in dem die Rollen eine klar definierte Ausrichtung und Verantwortlichkeiten haben, unterstützen eine Kultur der klaren Eigenverantwortung.

Innovationskultur braucht Zeit

Kulturveränderung ist die Königsdisziplin in der Organisationsentwicklung. Daher muss klar sein, dass das Etablieren einer anhaltenden Innovationskultur nicht von heute auf morgen passiert und vor allem, dass es mit dem Einrichten von Kreativräumen nicht getan ist.

Was es im Besonderen zu beachten gilt:

  1. Der Aufbau einer Innovationskultur ist deshalb so herausfordernd, da er scheinbar widersprüchliche Verhaltensweisen erfordert. Ein Fehler passiert, ein großes Projekt scheitert – wäre dies vermeidbar gewesen? Sollte der:die Leiter:in aufgrund von Missmanagement zur Rechenschaft gezogen werden? Oder lernen wir daraus und können uns weiterentwickeln und feiern daher den Fehler ?
  2. Weiters gibt es Verhaltensweisen, die für manche Mitglieder der Organisation leicht zu übernehmen sind, was anderen widerum sehr schwer fällt. Fühle ich mich in der Anonymität des Konsens wohl weil ich durch Einigung nicht auffalle oder begrüße ich die Verlagerung zu individueller Verantwortung und treffe gerne Entscheidungen?
  3. Und last but not least können innovative Verhaltensweisen nicht stückweise, sondern nur als Ganzes umgesetzt werden, da sie voneinander abhängen, sich ergänzen und verstärken. So fühlen sich kompetente Menschen auch wohler damit, Entscheidungen zu treffen. Diszipliniertes Experimentieren wird weniger kosten und nützliche Informationen liefern.

Was Lernen wir also daraus?

Je transparenter eine Organisation mit den „harten“ Realitäten einer Innovationskultur umgeht,  desto besser. Innovation bedeutet nicht nur Spiel und Spaß – es bedeutet genauso, dass mit der Freiheit zu experimentieren und die eigene Meinung zu äußern eine Vielzahl von Verantwortungen einher gehen.

Es gibt keine Abkürzungen beim Einführen einer Innovationskultur. Mit dem Aufteilen von Organisationen in kleinere Einheiten oder mit dem Versuch eine Startup-Kultur nachzuahmen, wird Größe mit Kultur verwechselt. Es braucht Anstrengungen seitens des Managements entsprechende Werte und Verhaltensweisen zu formen und das beginnt immer bei sich selbst.

Und schließlich – weil innovative Kulturen instabil und voller Spannungen sind – müssen Führungspersonen sehr aufmerksam sein. Eine nachlässige Toleranz gegenüber Misserfolgen kann zu nachlässigem Arbeiten führen – zu viel Intoleranz führt zu Angst und fehlender Risikobereitschaft. Keines der Extreme ist hilfreich. Zu viel Zusammenarbeit behindert die Entscheidungsfindung, zu starke Betonung auf individuelle Verantwortung kann dysfunktional für das Klima sein.

Willkommen in der fifty1 Welt

Mit unserem hXt Beratungsangebot und der fifty1 Akademie machen wir Menschen wirksam und Organisationen zukunftsfit. Eine ausgeprägte Innovationskultur ist in Unternehmen ein ganz zentraler Erfolgsfaktor dabei die Zukunft erfolgreich zu meistern und daher mit allen Facetten auch eine unserer Kernkompetenzen.

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