Mehr Mut

Mut ist zu einem vielfach verwendeten Begriff in Unternehmen aus den unterschiedlichsten Branchen geworden. Mut heften wir uns groß auf die Fahnen, wenn es um Marketing, Unternehmenswerte oder Leitplanken für die Zusammenarbeit in Teams geht. Mut wird somit zum moralischen Kompass in Unternehmen.

Doch Mut als Verhalten zu etablieren, braucht mehr als nur eine Veränderung im Denken und Handeln.  
Damit Mut gedeihen und sich entfalten kann (und es nicht bei einer riskanten one-time-show bleibt, weil man schnell bereut, was man getan hat) braucht es einen psychologisch sicheren Raum, in dem sich Mut dauerhaft und im Kollektiv etablieren kann. Ohne diesen sicheren Raum bleibt mutiges Verhalten kurzfristig, riskant und ohne Erfolg.

Aber was meint ein psychologisch sicherer Raum?

Ein psychologisch sicherer Raum meint eine Arbeitsatmosphäre, in der sich die Menschen ausdrücken und sie selbst sein können. Eine Arbeitsumgebung die sicher genug ist, um zwischenmenschliche Risiken einzugehen. Sich mit relevanten Ideen, Bedenken oder Fragen äußern zu können.

Mitarbeiter:innen die eine psychologisch sichere Arbeitsumgebung erfahren, werden von ihren Vorgesetzten ermutigt, Bedenken und Fehler zu äußern. Sie vertrauen darauf, dass sie sich äußern können, ohne gedemütigt, ignoriert oder beschuldigt zu werden. Sie wissen, dass sie Fragen stellen können, wenn sie sich in einer Sache unsicher sind. Sie vertrauen ihren Kolleg:innen und respektieren sie.

Zwischenmenschliche Risiken

Es dürften alle zustimmen, dass wir nicht gerne zur Arbeit gehen und dort als dumm, inkompetent oder störend angesehen werden. Stattdessen wünschen wir uns, in den Augen anderer als klug, fähig, positiv oder unterstützend wahrgenommen zu werden. Daher vermeiden wir Verhaltensweisen, die dazu führen, dass andere uns weniger schätzen. Wir zögern Fragen zu stellen und geben keine Fehler oder Schwächen zu. Wir trauen uns nicht Vorschläge zu machen.

Wir haben bereits sehr früh gelernt, unser Selbstbild nicht in Gefahr zu bringen und halten uns deshalb zurück.  Unser menschliches Verhalten liegt naturgemäß darin, eigene Misserfolge zu vermeiden, um keinen persönlichen Verlust zu erleiden. Das heißt, wir wägen zu jedem Zeitpunkt ab, ob wir mit einer Wortmeldung kompetent, sympathisch und in einem positiven Licht erscheinen oder ob es doch besser ist zu Schweigen, um nicht inkompetent, aufdringlich oder unsympathisch zu wirken. Den langfristigen Outcome, den der eigene Beitrag leisten könnte, übersehen wir dabei leider oft.

Vorgesetzte wissen es besser …

Ein weiteres Phänomen, das im Aufbau von psychologisch sicheren Räumen kritisch mitspielt, ist die Anwesenheit von hierarchisch höher gestellten Personen. So löst die bloße Anwesenheit durch eine formale Autorität, eine Zurückhaltung bei den meisten Menschen aus (Hierarchien führen dazu, dass jeder denkt, dass es der Vorgesetzte besser weiß). Mitarbeiter:innen beobachten das Verhalten anderer, bevor sie handeln. Sie zögern Fragen zu stellen und schweigen oft darüber. Sie geben ihr Feedback lieber Kolleg:innen als ihrer Führungskraft. Sie fühlen Erleichterung, wenn jemand anderes die Frage stellt, die sie interessiert. Am Arbeitsplatz besteht oft eine implizite Logik, die Vorsicht über Nachsicht stellt.

Viele Menschen haben diese Denkweise von ihren Erfahrungen in der Schule oder Ausbildung übernommen. Wenn sie jedoch genauer darüber nachdenken, erkennen sie möglicherweise, dass sie sich zu sehr zurückgehalten haben. Leider wird ein solches Reflektieren selten unterstützt.

Wir haben implizite Vorstellungen darüber, wann es angemessen ist, dem eigenen Vorgesetzten etwas mitzuteilen und wann nicht. Die Binsenweisheit besagt, dass schlechte Nachrichten nicht nach „oben“ wandern. Oft sind wir jedoch so vorsichtig am Arbeitsplatz, dass wir großartige Ideen zurückhalten und nicht nur die schlechten Nachrichten.

Schweigen ist ein instinktives Verhalten. Es bietet Selbstschutz, der sofort wirkt und sicher ist. Es birgt kein zwischenmenschliches Risiko. Schließlich wurde noch niemand wegen seines Schweigens gefeuert.

Um mutiges Verhalten zu fördern, müssen Führungskräfte daher eine Atmosphäre schaffen, in der Mitarbeiter:innen sich trauen kontroverse Meinungen zu äußern, Ideen frei auszutauschen, sich in produktive Konflikte zu begeben und aufrichtige Dialoge zu führen. Selbst Teams mit hoher Talentdichte, viel Erfahrung und guten Ausbildungen können diese Vorteile nicht umfassend nutzen, wenn die Führungsperson diesen Raum nicht aufbaut.

Das Erheben der eigenen Stimme ist entscheidend für den Erfolg …

Die heutigen Arbeitssituationen erfordern immer mehr eigenes Entscheidungsvermögen, man muss mit Unsicherheit umgehen können, neue Ideen einbringen, mit anderen kommunizieren und die gemeinsame Arbeit koordinieren. Das bedeutet, dass das Erheben der eigenen Stimme entscheidend wichtig für den Erfolg ist.

In einer Zeit in der das Kapital eines Unternehmens in den Köpfen der Mitarbeiter:innen liegt, in einer Zeit in der wir unsere Arbeit zunehmend im Team verrichten (um 50% mehr als noch vor 20 Jahren), wird das Einbringen und Teilen von Wissen zunehmend zu einem Wettbewerbsfaktor. Es reicht nicht mehr, lediglich neue talentierte Mitarbeiter:innen einzustellen. Die Menschen müssen in Arbeitsumgebungen kommen, in denen sie in der Lage und bereit sind, ihre Talente auch zu nutzen. In jeder Organisation, in der Wissen im Mittelpunkt steht, ist psychologische Sicherheit eine Voraussetzung für den Erfolg. Wenn Unternehmen für Innovation und Wachstum auf Wissen und Zusammenarbeit angewiesen sind, ist es keine Frage mehr ob man Energie daransetzen sollte, um eine Atmosphäre der psychologischen Sicherheit zu fördern.

Woran erkenne ich also mutige Teams bzw. wie baue ich psychologisch sichere Räume?

Mutige Teams zeichnen sich durch eine Kultur des offenen Dialogs aus, in der Mitarbeiter:innen ermutigt werden, ihre Bedenken und Fragen zu äußern, selbst wenn sie nicht sicher sind, ob ihre Ideen richtig oder wertvoll sind.
Eine solche Kultur erfordert aktives Zuhören und die Bereitschaft, von anderen zu lernen.

Ein weiterer wichtiger Faktor für mutige Teams ist, die Überwindung von Hierarchien und die Schaffung einer Umgebung, in der alle Stimmen gehört werden. Führungskräfte sollten den Mut und die Offenheit ihrer Mitarbeiter:innen schätzen und fördern, anstatt Autorität als alleiniges Maß für Wissen und Entscheidungen zu betrachten.

Insgesamt sind mutige Teams besser in der Lage kreative Lösungen zu finden, Herausforderungen zu bewältigen und Innovationen voranzutreiben. Daher sollten Unternehmen darauf achten, eine Kultur des Mutes, der Offenheit und des Zuhörens zu fördern und Hierarchien und Kulturen des Schweigens zu überwinden.

Wie baue ich psychologisch sichere Räume damit sich mutige Teams entwickeln können?

  1. Ermutige Dein Team zu offener Kommunikation: Schaffe ein Umfeld, in dem sich die Teammitglieder wohl fühlen, wenn sie ihre Meinungen und Ideen äußern. Frage nach Feedback und höre Deinen Teammitgliedern aktiv zu. Erkenne Beiträge an und fördere eine Kultur der offenen Kommunikation. Dies fördert nicht nur die psychologische Sicherheit, sondern trägt auch zur Schaffung eines kooperativen Arbeitsumfelds bei.
  2. Fördere eine wachstumsorientierte Denkweise: Lege Wert auf Lernen und Wachstum statt auf Perfektion. Ermuntere Deine Teammitglieder, Risiken einzugehen und Herausforderungen anzunehmen. Feiert Fortschritte und nutzt Misserfolge als Gelegenheit zum Lernen und zur Verbesserung. Dies schafft eine Kultur des Experimentierens, der Innovation und der kontinuierlichen Verbesserung.
  3. Gehe mit gutem Beispiel voran: Als Führungskraft ist es wichtig, die Verhaltensweisen vorzuleben, die du dir von deinen Teammitgliedern wünschst. Zeige Verletzlichkeit, gib Fehler zu und zeige Einfühlungsvermögen. Schaffe eine Kultur, in der Fehler nicht als Versagen, sondern als Chance zum Wachstum gesehen werden. Dies trägt zum Aufbau von Vertrauen bei und fördert die psychologische Sicherheit innerhalb deines Teams.

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Veränderung beginnt im Kleinen

  • Teile deinem Team deine eigenen Fehler und die daraus gewonnenen Erkenntnisse mit.
  • Schaffe ein Umfeld, in dem Fehler als Lernchance und nicht als etwas Negatives betrachtet werden.
  • Sei offen für das Feedback deines Teams
  • Vermeide Vergleiche und frage stattdessen nach anderen Perspektiven
  • Gehe auf neue Ideen mit Nachfragen ein. Bewertesie aber nicht sofort.
  • Mach deutlich, wie wichtig es ist, dass jeder zu Wort kommt, und ermögliche Interaktion und gleiche Redeanteile.
  • Ersetze „Ich denke“-Aussagen durch „Was wäre, wenn“-Aussagen, um zu Wortmeldungen einzuladen und die Eigendarstellung zu begrenzen.
  • Sei verfügbar und hör mit Neugier und echtem Interesse zu.
  • Teile mit, was du aus einem Gespräch gelernt hast und mitnimmst.
  • Feiere innovative Ideen und neuartige Herangehensweisen.

Aufbau von mutigen Teams – ein Fazit

Die Etablierung von Mut als Verhalten in Unternehmen erfordert mehr als nur eine Veränderung im Denken und Handeln. Es bedarf eines psychologisch sicheren Raums, in dem Mut dauerhaft und im Kollektiv gedeihen kann. Ein solcher Raum ermöglicht es den Menschen, sich frei auszudrücken, Ideen, Bedenken und Fragen zu äußern, ohne Furcht vor Demütigung oder Beschuldigung.
Mutige Teams sind besser in der Lage, kreative Lösungen zu finden, Herausforderungen zu bewältigen und Innovationen voranzutreiben. Daher ist die Schaffung einer Kultur des Mutes, der Offenheit und des Zuhörens von großer Bedeutung.


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